Aufgebrüht

Schluss mit dem Ausroden

Kaffee produziere niemand aus Freude, so hört man immer wieder, vielmehr sei er oft die einzige Möglichkeit. Das ist eine traurige Aussage über ein Getränk, das nicht zuletzt für Herr und Frau Schweizer aus dem morgendlichen Ritual nicht wegzudenken ist. Tatsache aber ist: Um die Zukunft des Kaffees steht es aus verschiedenen Gründen schlecht. Eine europäische Verordnung, die Mitte 2023 angenommen wurde und am 1. Januar kommenden Jahres in Kraft treten wird, möchte zumindest in einem Punkt Abhilfe schaffen – und gegen die Abholzung in den Anbaugebieten vorgehen. 

Ordnen wir ein. Am 1. Januar 2025 erlangt das Europäische Entwaldungsgesetz, kurz EUDR, Gültigkeit und wird die Welt verändern. Künftig muss nämlich belegt werden, dass kein Wald zerstört wurde, um für die im Gesetz gelisteten Produkte Landwirtschaft zu betreiben. Wer im EU-Raum fortan Soja, Rind, Kautschuk, Holz, Kakao, Palmöl oder eben Kaffee importieren, exportieren oder allgemein damit handeln möchte, muss nachweisen, dass die ganze Lieferkette entwaldungsfrei ist. Tönt gut, oder? Wer möchte schon die Zerstörung von unzähligen Hektaren Wald unterstützen?

Der Hund liegt allerdings an einem anderen Ort begraben. Der Nachweis erfolgt nämlich durch die Erfassung der exakten GPS-Daten der über 13 Millionen Kaffeefarmen. Die Bringschuld der Informationen liegt also bei den Produzentinnen und Produzenten. Auch kleinste Betriebe, weit weg von Brüssel, unterstehen der Nachverfolgbarkeitspflicht. Ausserdem greift das Gesetz bis ins Jahr 2020 zurück und betrifft Wald, der zu Agrarfläche umgestellt wurde – ganz egal, ob das im entsprechenden Land zum besagten Zeitpunkt legal war oder nicht. 

Der Bundesrat indes hat mitgeteilt, dass er vorderhand keine Anpassung des Schweizer Rechts vorsieht. Pointiert gesagt, setzt man hier bis auf Weiteres auf Gleichgültigkeit.

Das sogenannte Lieferkettengesetz der EU betrifft sämtliche Unternehmen, die sich entlang der Wertschöpfungskette befinden. Grosse Ausnahme: die Gastronomie. Sie darf weiterhin querbeet einkaufen. Ist das nun die Bonanza für alle Schweizer Röstereien, die beim Einkauf mehr auf tiefe Preise als auf ihre Werte setzen? Nicht geregelt ist nämlich die Besorgung gerösteter Bohnen über einen Drittstaat wie die Schweiz. Die Zukunft wird zeigen, wer seine ach so ideologischen Werte nicht nur für Marketingzwecke niedergeschrieben hat. 

Nadja Schwarz

Kursleiterin Sensorik, Kaffeemacher GmbH
Ausgabe: Salz & Pfeffer 4/2024 / Datum: 27.08.2024


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