Ausgetrunken

Ein Januar ohne – und dann?

Der erste Monat des Jahres steht kulinarisch unter einem anderen Stern als der letzte: Nach den üppigen Mahlzeiten mit Gänsebraten oder Raclette auf dem Teller sowie Champagner, Bordeaux und Digestif im Glas begehen viele den Januar ein wenig zurückhaltender. Auch wegen der guten Vorsätze: mehr bewegen, weniger essen, anders essen, weniger trinken. Kurz: Der Januar ist für die Gastronomie nicht der beste Monat.

Da kommen die Phänomene Dry January und Veganuary gerade richtig: Essen und Trinken ist politisch geworden, Zeitungen, Zeitschriften und die sozialen Netzwerke sind voll davon. Mehr und mehr Restaurants und Cafés beteiligen sich an den Aktionen, können damit ihre Haltung zeigen und bieten ihren Gästen vermehrt pflanzenbasierte Speisen oder ein alkoholfreies Pairing an. Zahlreiche Gäste kommen auf diesem Weg zum ersten Mal mit einem veganen Gericht oder einer alkoholfreien Getränkebegleitung in Kontakt.

Und im Februar? Da verändern sich die Angebote auf den Karten gleich wieder. Es scheint, als würden viele Gastronominnen und Gastronomen Dry January oder Veganuary in erster Linie als Marketingaktion sehen. Denn mal eben dauerhaft vegane Gerichte oder eine alkoholfreie Speisenbegleitung auf die Karte zu nehmen, erfordert vertiefte Recherche, Aufwand und Zeit.

Grundsätzlich können wir davon ausgehen, dass in Zukunft mehr Menschen weniger trinken und mehr pflanzenbasierte Speisen essen werden. Sollten wir dann nicht auch davon ausgehen, dass die Ausbildung von Schweizer Köchinnen und Sommeliers diese neuen Themen zeitnah in den Rahmenlehrplan aufnimmt? Noch ist das nämlich nicht der Fall. Lässt man den Nachwuchs so, auch im internationalen Vergleich, nicht ein wenig im Regen stehen? Oder wird von den Wirtinnen und Wirten erwartet, dass sie ihre Mitarbeitenden selbstständig fortbilden? Ist das im Sinne einer staatlichen Ausbildung? Fleisch und Alkohol scheinen immer noch die goldenen Kälber zu sein.

Wirte und Wirtinnen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und über den Januar hinaus handwerklich gut gemachte vegane Gerichte sowie erwachsene alkoholfreie Getränke anbieten, freuen sich über einen neuen Kreis von Kundinnen und Gästen. Ausserdem folgen auf den trockenen Januar die Fastenzeit, der Mindful March und der achtsame April: mehr als genug Anlässe also, um die Karte flexibler zu gestalten und damit mehr Umsätze zu erwirtschaften.

Nicole Klauss

Kulinarische Autorin und Gastronomieberaterin, neuetrinkkultur.de
Ausgabe: Salz & Pfeffer 1/2024 / Datum: 13.02.2024


Was bisher geschah:
Blättern Sie durchs Salz & Pfeffer
der Vergangenheit.
zum Archiv





Seite teilen

Bleiben Sie auf dem Laufenden – mit dem kostenlosen Newsletter aus der Salz & Pfeffer-Redaktion.

Salz & Pfeffer cigar gourmesse