Es gibt eine neue Bewegung in den Bars: den Cuisine Style! Die Zeiten, in denen hinter dem Tresen nur frische Minze, Zitronensaft und Sirup standen, sind vorbei, die Auswahl an flüssigen Zutaten ist vielerorts beachtlich: Bitterdrops, Sirupe, Tinkturen, Tonics. Bei innovativen Mixologinnen und Mixologen finden sich neuerdings auch Sojasauce, Kombudashi, Schattenteeinfusionen oder die Lake von Oliven und Gewürzgurken im Line-up. Denn Umami ist in Drinks the next hot thing.
Entdeckt hat die fünfte Geschmacksrichtung der japanische Wissenschaftler Kikunae Ikeda. 1908 isolierte er aus der Kombualge Glutamat, einen Baustein von Proteinen. Ikeda nannte ihn Umami: Das Wort steht im Japanischen für Schmackhaftigkeit.
Wohlgemerkt, in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts fanden sich bereits Oliven in den Drinks amerikanischer Bartender, der Martini mit Olive oder die Bloody Mary mit Tomatensaft waren längst Klassiker – nur: von Umami keine Rede. Selbst die letztes Jahr erschienene Cocktailbibel «The Oxford Companion to Spirits and Cocktails» listet Oliven zwar auf, aber eher als Deko und wegen des leicht salzigen Effekts. Vor ein paar Jahren kam der Dirty Martini hinzu; aus Wodka, Wermuth und zwei bis drei Barlöffeln Oliven-Lake. Für die Gäste eine Wohltat – nach all den Zuckerexzessen in den Drinks.
Ein Austausch zwischen Küche und Bar ist sowieso eine gute Idee, hat aber durch den Cuisine Style in den Bars zusätzlich Auftrieb erhalten. Inzwischen muss sich der Maschinenpark einiger Bars vor keiner Restaurantküche mehr verstecken. Hydrolate kommen aus dem Rotationsverdampfer, der Sonicprep arbeitet mit Ultraschall – extrahieren, infundieren, homogenisieren, emulgieren, suspendieren, entgasen: Alles ist in kürzester Zeit möglich, sogar ein Fassaroma schnell erzeugt.
Bartender, die sich mit alkoholfreien Cocktails beschäftigen, wissen, dass der Alkohol für Volumen und Komplexität im Drink sorgt und sie deshalb eine Extrameile gehen müssen, um ihren Gästen ein gutes Getränk anzubieten. Warum nicht in den Asia-Supermarkt? Sojasauce und Tamari stecken voller Umami, drei bis vier Tropfen reichen. Tee bringt als Filler ebenfalls viel Umami mit: Gyokuro, ein japanischer Grüntee, dessen Büsche vor der Ernte beschattet werden, ist ein hervorragende Umami-Lieferant. Noch mehr davon wird durch Kaltextraktion über Nacht erzielt. Die Lake von eingelegtem Gemüse sorgt für eine salzige Umami-Dosis, das Chili in der Fermentationsflüssigkeit von Kimchi bringt eine zusätzliche spannende Note.
Aber noch einmal kurz zurück zu Ikeda und zur Kombualge. Auf die Idee, nach dem fünften Geschmack zu forschen, kam der japanische Professor beim Genuss einer zarten Kombudashi. Und eben diese bietet uns heute auch in der Getränkekreation eine dezente Option: Zum Eiswürfel gefroren, erobert ihr Umami-Aroma den Drink ganz langsam, ohne Eigengeschmack – und adelt zum Beispiel jeden Eistee.