Ausgetrunken

Kaffee mit Showeinlage

Wir müssen über Nerdiness in der Gastronomie reden. Konkret: über Kaffee. Während der sogenannten First Coffee Wave wurde Kaffee – ausserhalb von Italien – jahrelang so zubereitet: In den Filter einer Kaffeemaschine wurde eher günstiges Pulver gegeben, in den Tank kam Hahnenwasser, und wenn der Kaffee fertig war, stand er so lange auf der Warmhalteplatte, bis die Kanne leer war. Es folgte die Second Coffee Wave, geprägt von Starbucks in den Achtzigerjahren: Sie schuf ein Bewusstsein für Aromen und unterschiedliche Röstungen. 

Third Wave Coffee indes kommt aus Maschinen, die Rocket Espresso oder Wega Sphero heissen und im Preissegment eines mittleren Kleinwagens liegen. Die Bohnen stammen wahlweise aus Ruanda, Brasilien, San Salvador, Indonesien, Mexiko oder Honduras, die Kundschaft entscheidet sich für Kaffee von Frauenkooperativen, aus fairem Handel oder ökologischem Anbau. Mit der dritten Welle ist Kaffee also endgültig vom reinen Lebens-zum Genussmittel aufgestiegen. 

Kam die Zubereitung eines Kaffees in der ersten Welle komplett ohne Show aus, ist diese jetzt oft Teil des Genusserlebnisses. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben zudem die Qual der Wahl: nussig-schokoladige, fruchtig-lebendige oder lieber experimentell-komplexe Noten? Entscheidend auch die Brühmethode: French Press, Siebträger, Filtermaschine, Cold Brew oder Pour Over? Und wenn schon Milch, dann welche? Nicht jede Milch harmoniert mit jeder Kaffeesorte und jeder Röstung. 

Die Pour-Over-Technik, im Prinzip die 3.0-Version des handgefilterten Kaffees meiner Grossmutter, ist das nächste grosse Ding in Sachen Kaffeezubereitung. Und das geht so: Kaffee mit entsprechendem Röstgrad auswählen, Bohnen abwiegen, Bohnen mit Wasser besprühen, Mahlgrad abhängig vom Kaffee und der Luftfeuchtigkeit auswählen, mahlen, den Filter falten (Papier oder Stoff?), Wasser vorbereiten (destilliertes Wasser wird mit Mineralpulver optimal für den gewünschten Kaffee aufbereitet: Espresso Profile oder Classic Profile?), Wasser abwiegen und kochen (93 Grad), Filter anfeuchten. Das genau abgewogene Pulver trifft auf den Filter, wird mit dem WDT-Tool umgerührt (einer Art Schneebesen aus Akupunkturnadeln). Es folgt das Blooming: Eine kleine Menge Wasser wird auf das Pulver gegeben, dann wird langsam der Rest des abgemessenen Wassers hinzugefügt, das Ganze wieder mit dem WDT-Tool gerührt (stir or swirl?). Zwei bis fünf Minuten lang zieht das Kaffeepulver zusammen mit dem Wasser – um den Gästen dann in einer vorgewärmten Tasse überreicht zu werden. 

Kaffee aus der ersten, zweiten oder dritten Kaffeewelle? Die Konsumenten und Konsumentinnen haben immer noch die Wahl. Sie sind ausserdem zunehmend aufmerksam und daran interessiert, was die Herkunft der Bohnen, deren Verarbeitung und die sozialen Hintergründe der Produktion betrifft. Und das ist gut so. 

Nicole Klauss

Kulinarische Autorin und Gastronomieberaterin, neuetrinkkultur.de
Ausgabe: Salz & Pfeffer 6/2023 / Datum: 16.11.2023


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