Für Genussmenschen steht der Besuch des lokalen Wochenmarkts in einer fremden Stadt an erster Stelle. Also schlendere ich über einen ebensolchen, erfreue mich an den regionalen und saisonalen Produkten und schreibe im Geist schon einen Einkaufszettel mit jenen Spezialitäten, die ich im Zug gefahrlos nach Hause transportieren kann. Da erreicht ein Satzfetzen mein Ohr: «Wir brauchen hier nichts zu kaufen, ich habe gestern schon mega viele Lebensmittel günstig im Supermarkt geholt», sagt der Mann eines jüngeren, offenbar hier ansässigen Paars zur Frau. Angesichts der Bauern, die hier hinter den Ständen mit ihrem täglichen Lebenswerk stehen, schiesst mir ein Gemisch aus Unverständnis, Ärger und Bedauern ins Hirn, und fast fällt mir die Waadtländer Saucisson zu Boden, die zu Hause den gekochten Wirz zieren soll. Deplatzierter kann eine Aussage nicht sein.
Seit geraumer Zeit sind auch in der Schweiz deutsche Discounter ansässig und machen nicht nur den kleinen Erzeugern das Leben schwer. Marketing und Handel diktieren die Preise auf niedrigem Niveau, zahlreiche Gemüsebauern, handwerkliche Käser oder Metzger arbeiten am Rande des Existenzminimums. Viele Verbraucher freuts – genauso wie die Supermärkte: Die Umsätze wachsen.
All das ist zu kurz gedacht. Viele Bauern und Familienbetriebe finden keine Nachfolger mehr, die sich dem Druck, dem geringen Verdienst und dem finanziellen Risiko aussetzen mögen. Kleine Erzeuger, deren gute Arbeit sich nicht mehr lohnt, verschwinden zunehmend. Sicher: In einer liberalen Gesellschaft ist das der normale Gang der Wirtschaft. Aber es liegt an uns Verbrauchern, ob wir künftig wirklich auf die elementaren Kulturleistungen von Kleinbauern und Familienbetrieben verzichten wollen. Diese sollten uns ein paar Franken wert sein.