Preise werden ja heutzutage für alles Mögliche verliehen in der Gastrobranche. Für den besten Koch, das feinste Restaurant, den tollsten Patissier. Auch die Weinkarten bleiben nicht vor Bewertungen und Medaillen verschont. Zu den prämierten gehören fast immer jene, die ganz besonders umfangreich sind. Hunderte, gar tausende Sorten, endlose Bücher oder, neuerdings, PDF. Wollte ich akribisch studieren, was in den ausführlichsten steht, bräuchte ich mehr Zeit, als zwischen Vorspeise und Dessert zur Verfügung bliebe.
Solcher Gigantismus ist dümmer denn je. Unzählige Flaschen, lange Listen von Winzern und die Abdeckung möglichst aller Weinbaugebiete der Welt bringen mehr Irritation als Befriedigung des Gastes. Der ja eh überfordert ist von der bisweilen herrschenden Fülle und im Zweifelsfall nimmt, was er kennt.
Die schlauen Gastronomen und Sommeliers dagegen nutzen die Umstände, die durch die Corona-Krise entstanden sind, zum Nachdenken und zur Profilierung. Die gute Weinkarte des Jahres 2021 wird eine sein, die von Neugier kündet, von Fokussierung, von einer perfekten Abstimmung auf die angebotenen Speisen. Nichts spricht dagegen, von einigen Erzeugern viele Sorten und Jahrgänge anzubieten. Aber ebenso spannend kann es sein, bestimmte Weinstile über Ländergrenzen hinaus zu sammeln. Ausschliesslich Natural Wines? Exklusiv Schaumweine? Warum nicht, wenn der Küchenchef sein Plazet gibt! Bloss Schweizer Weine und keine Bordeaux wären auch cool. Oder aber das Gegenteil. Selbst extreme Reduktion liesse sich den Gästen erklären. 25 akribisch ausgesuchte Flaschen, kompetent erläutert, sind besser als 1000 Positionen, zu denen der Oberkellner des Hauses intime Kenntnisse eh nur heucheln kann. Die Weinkartenprämierer müssen umdenken oder sollen sich zum Teufel scheren.