Anschnitt

Ein Gespenst namens Routine

Man nehme Brötchen. Jene zum Aufbacken. Füge drei, vier Sorten Käse hinzu, Joghurt und Müesli, Schinken und Wurst. Obstsalat und das übliche Einerlei aus Eiern, Speck und Würstchen. Fertig ist ein Frühstücksbuffet, wie es so oder ähnlich überall zu haben ist. Im Ibis Budget ebenso wie im Fünf-Sterne-Hotel. Gut, im letztgenannten Haus wird der Käse nicht in Alufolie drapiert, es gibt keine Plastiktabletts, und die Kellnerin bringt Spiegel- und Rührei nach Bestellung an den Tisch. Aber Routine ist hier wie da allgegenwärtig – von viel zu seltenen Ausnahmen abgesehen. Zwei ultrafeine Häuser, eines in Bern, eines in Basel, haben mich neulich bei der ersten Mahlzeit des Tages bitter enttäuscht.

Routine schleicht sich halt gern durch die Ritzen der Hotels, sackt anschliessend nach unten, sammelt sich beim Frühstück, beginnt ihr Unwesen zu treiben. Erfahrene Gäste und Manager- innen wissen sehr wohl, dass es spukt, aber sie nehmen es hin wie Bakterien im Bad und Milben in der Matratze. Was zu ändern, scheint unmöglich, weshalb man sich arrangiert. Also weiterhin fader Kaffee und die immer gleichen Backwaren aus der gastronomischen Hölle. Spricht man unter vier Augen mit Verantwortlichen, schauen sie einem leicht schuldbewusst in die Pupillen, seufzen und sagen, dass es Zwänge gebe und sich eigentlich noch nie jemand beschwert habe. Nur die bösen Geister nicht zusätzlich reizen!

Es ist kein Trost, dass Routinegespenster nicht nur beim Frühstück, sondern auch anderswo im Gastgewerbe zu finden sind. Beim weichgespülten Empfang womöglich oder beim allzu raschen Schicken der Gänge im Drei-Sterne-Lokal. In manchen Häusern haben die Untoten jegliche Kreativität abgetötet. Bleiben eigentlich bloss professionelle Ghostbuster mit schwerem Gerät: Gastro-Gespensterjäger ist ein Beruf mit Zukunft.

Wolfgang Fassbender

Gastronomie- und Weinjournalist
Ausgabe: Salz & Pfeffer 4/2022 / Datum: 29.08.2022


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